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Ausstellung zum 50. Jahrestag des RAF-Anschlags auf die Deutsche Botschaft in Stockholm 1975

Deutsche Botschaft im April 1975. / Ambassadområdet i april 1975., © Bernt Claesson/Expressen/TT
Hier findet sich die gesamte Ausstellung in deutscher Sprache sowie Quellenangaben.
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- Vor 50 Jahren: Der RAF-Anschlag auf die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Stockholm 1975
Am Mittag des 24. Aprils 1975 stürmten sechs Mitglieder der deutschen linksextremen Terrororganisation „Rote Armee Fraktion“ (RAF) die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Stockholm. Sie brachten Mitarbeitende der Botschaft als Geiseln in ihre Gewalt und töteten zwei Diplomaten. Als der von den Terroristen mitgebrachte Sprengstoff am späten Abend explodierte, wurden mehrere Personen zum Teil schwer verletzt, die Geiseln konnten befreit und die Geiselnehmer festgenommen werden. Die Terroristen wollten 26 inhaftierte RAF-Anhänger, darunter ihre Anführer, freipressen. Die Bundesregierung lehnte die Forderung der Terroristen ab. Bundeskanzler Helmut Schmidt entschied, dass der Staat sich nicht erpressen lassen dürfe.
Diese Ausstellung soll 50 Jahre nach dem Anschlag über die dramatischen Ereignisse, deren Hintergründe und Folgen informieren und an die Opfer erinnern. Die Erinnerung an diese Gewalttat bestärkt uns in unserem Engagement für den freiheitlichen Rechtsstaat und gegen Terror und Extremismus. - Die Terrororganisation RAF
Die RAF war eine linksextremistische Terrorgruppe, die versuchte, durch gezielte terroristische Anschläge die politische und soziale Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland gewaltsam zu verändern.
Von ihrer Gründung 1970 bis zu ihrer Selbstauflösung 1998 verübte die RAF eine Vielzahl von Morden und Attentaten, bei denen insgesamt 34 Menschen getötet, Hunderte verletzt wurden und enormer Sachschaden entstand.
Die RAF entstand aus einem radikalisierten Teil der 1968er-Studentenbewegung. Im Mai 1972 verübte die RAF die ersten Bombenanschläge unter anderem auf US-Militäreinrichtungen in Frankfurt/Main und Heidelberg, Polizeibehörden und den Axel-Springer-Verlag in Hamburg.
In den folgenden Monaten nahm die Polizei führende RAF-Mitglieder fest. Der Prozess gegen diese sollte im Mai 1975 in Stuttgart-Stammheim beginnen. Während die Anführer der Gruppe, Andreas Baader, Ulrike Meinhof und Gudrun Ensslin, die sogenannte „erste Generation“, in Untersuchungshaft saßen und auf den Prozess warteten, formierte sich die „zweite Generation“ der RAF. Ihr Ziel war es, den deutschen Staat durch Gewaltakte, die im Herbst 1977 ihren Höhepunkt erreichten, zur Freilassung der inhaftierten RAF-Mitglieder zu zwingen.
Am 9. November 1974 starb der RAF-Terrorist Holger Meins an den Folgen seines im Gefängnis begonnenen Hungerstreiks und wurde für die RAF zum Märtyrer. Nach ihm benannten sich die Terroristen, die im April 1975 die deutsche Botschaft in Stockholm überfielen.
Am 27. Februar 1975 entführte die linksextreme terroristische „Bewegung 2. Juni“ den Berliner CDU-Vorsitzenden Peter Lorenz, hielt ihn eine Woche gefangen und forderte die Freilassung von sechs Gesinnungsgenossen aus dem Gefängnis. Die Bundesregierung stimmte dem Gefangenaustausch zu – eine äußerst umstrittene Entscheidung. Zwei Monate später überfielen Mitglieder der RAF die deutsche Botschaft in Stockholm, brachten 12 Geiseln in ihre Gewalt und verlangten die Freilassung von inhaftierten RAF-Anhängern. Doch diesmal lehnte die Bundesregierung ab. - Die Terroristen in der Botschaft – das „Kommando Holger Meins“
Am Mittag des 24. Aprils 1975 drangen sechs Mitglieder der Roten Armee Fraktion (RAF) in die deutsche Botschaft in Stockholm ein. Die Gruppe nannte sich „Kommando Holger Meins“ nach einem Mitglied der ersten RAF-Generation, der während eines Hungerstreiks am 9. November 1974 in einem deutschen Gefängnis gestorben war. Die Terroristen waren schwer bewaffnet und hatten 15 Kilogramm Sprengstoff bei sich. - Die Forderungen der Terroristen
Die Terroristen forderten die Freilassung von 26 inhaftierten RAF-Terroristen aus deutschen Gefängnissen, darunter die Anführer der Gruppe, Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Ulrike Meinhof. Ferner forderten sie, dass auf dem Frankfurter Flughafen für die Freigelassenen ein Flugzeug bereitgestellt werde und sie aus der Bundesrepublik ausgeflogen würden. Sollten ihre Forderungen nicht innerhalb des gesetzten Ultimatums erfüllt werden, drohten sie an, jede Stunde eine Geisel zu erschießen. Beim Versuch, die Botschaft zu stürmen, würden sie das Gebäude sprengen.
Die Terroristen zwangen eine Botschaftssekretärin, auf einer Schreibmaschine das Erpresserschreiben zu schreiben und befahlen ihr: „Schreib gefälligst alles klein!“ - Innerhalb der Botschaft
Schon vor dem Überfall hatte es Befürchtungen gegeben, dass Terroristen auch ein Ziel außerhalb Deutschlands überfallen könnten. In der Botschaft in Stockholm wie in anderen Auslandsvertretungen wurden zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen getroffen. Der Zugang zum Treppenhaus zu den oberen Stockwerken war mit einem Gittertor versehen worden. Doch die Terroristen überfielen den Hausmeister und brachten die oberen Stockwerke unter ihre Kontrolle.
Unter vorgehaltener Waffe trieben sie das Botschaftspersonal im dritten Stock zusammen und verbarrikadierten sich mit 12 Geiseln, unter ihnen Botschafter Dietrich Stoecker, im Büro des Botschafters. Hinter umgestürzten Schreibtischen eröffneten sie das Feuer auf die Polizisten, die in das Gebäude hereingekommen waren und versuchten, in die dritte Etage vorzudringen. Die Terroristen forderten den vollständigen Rückzug der Polizisten aus dem Gebäude – andernfalls würden sie den Militärattaché Andreas Baron von Mirbach erschießen. - Außerhalb der Botschaft
Die schwedische Polizei war von Beginn der Besetzung an im Einsatz. Auch außerhalb der Botschaft verfolgte sie den Verlauf der Ereignisse und bereitete sich darauf vor, das Gebäude mit Gaspatronen zu stürmen. Für einen Terrorangriff war sie nicht besonders gut ausgerüstet. - Die Botschaft im Visier von Scharfschützen und Medien
Vor dem Botschaftsgebäude beobachteten Polizei und Medienvertreter aufmerksam das Geschehen in der Botschaft. Reporter und Kamerateams des nahegelegenen schwedischen Fernsehsenders SVT und des Rundfunks dokumentierten die Ereignisse von Anfang an aus nächster Nähe. - Mitarbeitende der Botschaft, die sich vor den Tätern versteckt hatten und nicht als Geiseln genommen worden waren, konnten von der Polizei evakuiert werden.
Später am Abend ließen die Terroristen die verbliebenen weiblichen Geiseln frei. - Die Opfer: Andreas Baron von Mirbach
Oberstleutnant Andreas Baron von Mirbach war seit Oktober 1973 als Verteidigungsattaché an der Botschaft Stockholm tätig.
Als während der Besetzung der Botschaft die schwedische Polizei nicht auf die Forderungen einging, das Gebäude zu räumen, schossen die Terroristen von Mirbach aus nächster Nähe mit mehreren Schüssen in den Rücken. Sie stießen den Schwerverletzten die Treppe hinunter und ließen ihn noch lebend im Treppenhaus liegen. Erst nach knapp einer Stunde erlaubten sie zwei nur in Unterwäsche bekleideten Polizisten, den sterbenden von Mirbach hinauszutragen. Wenige Stunden später erlag er im Krankenhaus seinen Verletzungen. - Die Bundesregierung lässt sich nicht erpressen
In Bonn kam unter der Leitung von Bundeskanzler Helmut Schmidt der Krisenstab zusammen, um über die Forderungen der Terroristen zu beraten. Er beschloss, den Forderungen der Erpresser nicht nachzugeben und keine Gefangenen freizulassen. Der Rechtsstaat dürfe nicht erpressbar sein – eine Lehre auch aus der Entführung von Peter Lorenz zwei Monate zuvor.
„Mein ganzer Instinkt sagt mir, dass wir hier nicht nachgeben dürfen“, sagte Bundeskanzler Schmidt.
Am Abend informierte Helmut Schmidt den schwedischen Ministerpräsidenten Olaf Palme telefonisch über die Entscheidung mit den Worten: „Regierung und Opposition sind sich einig. Wir liefern nicht aus.“ - Am Abend trafen Regierungsbeamte und Angehörige aus Deutschland mit einer Sondermaschine in Stockholm ein. Ministerialdirigent Dr. Gerhard Heuer aus dem Bundesinnenministerium und Folkmar Stoecker, Sohn des Botschafters und ebenfalls Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes, sprachen in den folgenden Stunden mehrmals telefonisch mit den Geiselnehmern von der nebenan gelegenen Residenz des Botschafters heraus, in der sich die Einsatzleitung versammelt hatte.
Im Auftrag der schwedischen Regierung unter Ministerpräsident Olof Palme teilte Justizminister Lennart Geijer den Geiselnehmern den endgültigen Beschluss der Bundesregierung mit, nicht auf deren Forderungen einzugehen. Die schwedische Regierung bot den Geiselnehmern freies Geleit an: „Die Bundesregierung hat beschlossen – und das ist endgültig –, dass man keinen Menschen aus den deutschen Gefängnissen ausliefert. Aber die schwedische Regierung ist bereit, mit Ihnen zu verhandeln, wenn Sie das Land verlassen wollen.“ - Die Opfer: Dr. Heinz Hillegaart
Im Jahr 1975 war Dr. Heinz Hillegaart seit sechs Jahren als Botschaftsrat für Wirtschaft an der Botschaft Stockholm tätig.
Als die Geiselnehmer am späten Abend des 24. April 1975 telefonisch erfuhren, dass die Bundesregierung ihre Forderung nach Freilassung der Gefangenen ablehnte, setzten sie ihre Drohungen um, Geiseln zu erschießen. Sie führten den Wirtschaftsreferenten Dr. Heinz Hillegart an ein geöffnetes Fenster und erschossen ihn dort von hinten – vor den Augen der Umstehenden.
Am Telefon teilten die Terroristen mit: „Wir haben soeben den Botschaftsangehörigen Hillegaart erschossen.“ - Die Opfer: Ernst Peterlechner
Zu den Opfern des Botschaftsanschlags gehören neben den ermordeten Diplomaten auch weitere betroffene Botschaftsmitarbeiter sowie schwedische Polizisten und Feuerwehrleute, die ein Leben lang an den Folgen der dramatischen Ereignisse zu leiden hatten.
Das Auswärtige Amt erinnert auch an Ernst Peterlechner, der seit 1972 in der Rechts- und Konsularabteilung der Botschaft Stockholm tätig war. Zwar konnte Peterlechner der Geiselnahme entgehen, stand jedoch während des Überfalls und auch in der Zeit danach als Ansprechpartner zur Verfügung. Seine schwere Erkrankung, an deren Folgen er schließlich verstarb, stand in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Anschlag. - Die Explosion
Bevor die Geiselnehmer ihre Drohungen wahr machen und weitere Geiseln hinrichten konnten, kam es kurz vor Mitternacht zu einer starken Explosion. Der Sprengstoff, den die Terroristen mitgebracht und in der dritten Etage verlegt hatten, explodierte vermutlich unbeabsichtigt, wie später vor Gericht festgestellt wurde. Das obere Stockwerk der Botschaft geriet in Brand, Wände stürzten ein, Fenster barsten, Gegenstände wurden nach draußen geschleudert.
Einer der Terroristen, Ulrich Wessel, wurde dabei tödlich verletzt. Die verbliebenen Geiseln und die übrigen Geiselnehmer erlitten durch die Explosion teils schwere Verletzungen, konnten aber im Tumult aus der Botschaft ins Freie fliehen.
Auch Polizisten außerhalb des Gebäudes wurden bei der Explosion verletzt. - Nach der Explosion konnten sich die schwer verletzten Geiseln befreien und aus der brennenden Botschaft fliehen. Botschafter Dietrich Stoecker wurde freudig von seinem Sohn Folkmar in Empfang genommen. Nach zwölf Stunden war das Geiseldrama zu Ende.
- Die Terroristen, die die Explosion überlebt hatten, wurden beim Versuch, sich davonzuschleichen, außerhalb der Botschaft festgenommen.
Einer der Terroristen, Ulrich Wessel, starb noch in derselben Nacht an den Folgen seiner Verletzungen.
Die schwedische Regierung ordnete die umgehende Abschiebung der fünf überlebenden Terroristen nach Deutschland an. Die für Terrorgesetzgebung verantwortliche schwedische Ministerin Anna-Greta Leijon war zuständig für die Ausweisungen. 24 Stunden nach der Verhaftung wurden vier der Terroristen nach Deutschland geflogen, ungefähr eine Woche später dann auch der schwer verletzte Siegrid Hausner, der „Sprengstoffexperte“ des Kommando Holger Meins. Er starb am 4. Mai 1975 in der Justizvollzugsanstalt Stuttgart-Stammheim an den Folgen seiner Verletzung. - Das Botschaftsdrama in den Medien
Als in der Nacht die Sprengladungen im dritten Obergeschoss der Botschaft explodierten, waren die schwedischen Fernsehzuschauer an ihren Geräten dabei. Die Aufforderung des Reporters des schwedischen Fernsehens SVT Bo Holmström an die Sendungsleitung, ihn live auf Sendung zu schalten, schrieb Fernsehgeschichte.
Das Botschaftsdrama sorgte für Schlagzeilen sowohl in deutschen als auch in schwedischen Zeitungen. - Die Tage nach dem Anschlag
Deutschlands Außenminister Hans-Dietrich Genscher besichtigte bereits am Tag nach dem Anschlag das völlig zerstörte und ausgebrannte Botschaftsgebäude.
Am 28. April 1975 wurde in der Deutschen Kirche in Stockholm ein Gedenkgottesdienst für die ermordeten Diplomaten abgehalten. Anwesend waren unter anderen der schwedische Ministerpräsident Olof Palme, Ministerin Anna-Greta Leijon sowie der verletzte Botschafter Stoecker. - Was anschließend geschah
Um sich für den Tod von Siegfried Hausner zu rächen, planten Norbert Kröcher und andere im Kommando Siegfried Hausner, Anna-Greta Leijon zu entführen. Als Ministerin mit Zuständigkeit für die Terrorgesetzgebung war ihr in den Medien die Verantwortung dafür zugeschrieben worden, dass die Terroristen nach Deutschland ausgewiesen wurden. Der Plan sah vor, sie zu entführen und in einer Holzkiste ins „Gefängnis des Volkes“ auf Södermalm in Stockholm zu bringen.
Die Geiselnehmer von Stockholm, Taufer, Dellwo, Rößner und Krabbe, wurden vom Oberlandesgericht Düsseldorf am 20. Juli 1977 zu jeweils zweimal lebenslangen Freiheitsstrafen wegen gemeinschaftlichen Mordes in zwei Fällen sowie Geiselnahme verurteilt. Sie wurden zwischen den Jahren 1992 und 1996 aus der Haft entlassen.
Im sogenannten „Deutschen Herbst“ erschütterte eine Serie terroristischer Anschläge die Bundesrepublik Deutschland und der Terror der RAF erreichte seinen blutigen Höhepunkt. Die zweite Generation der RAF war unter anderem verantwortlich für die Morde an Generalbundesanwalt Siegfried Buback, dem Vorstandssprecher der Dresdner Bank Jürgen Ponto und dem Arbeitgeberpräsidenten Hanns-Martin Schleyer. Die inhaftierten Anführer der ersten RAF-Generation – Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe – begingen im Gefängnis Selbstmord.
Nach weiteren Morden und Anschlägen durch die zweite und dritte Generation in den 1980er Jahren bis 1993 erklärte die RAF 1998 schließlich ihre Selbstauflösung. - Die Deutsche Botschaft heute
Heute befinden sich die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland und die Botschafterresidenz auf demselben Grundstück wie vor 50 Jahren. Die Botschaftsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter vertreten – damals wie heute – Deutschland in Schweden und setzen sich für die Förderung der guten deutsch-schwedischen Beziehungen ein.
50 Jahre nach dem Terroranschlag auf die deutsche Botschaft möchten wir mit dieser Ausstellung über die dramatischen Ereignisse an diesem Ort, ihre Hintergründe und Folgen informieren sowie der Opfer gedenken. Die Erinnerung an diese Gewalttat bestärkt uns in unserem Engagement für den freiheitlichen Rechtsstaat und gegen Terror und Extremismus.

Die Ausstellung stützt sich auf Informationen insbesondere aus folgenden Quellen: Quellenangaben (källhänvisningar)